Performing LEGO

Haben sie sich auch schon einmal gefragt, warum erwachsene Männer und Frauen stundenlang mit Hingabe faszinierende Städte- und andere Landschaften, Filmszenen, Roboter und andere Zeugen ihrer Ingenieurskunst aus LEGO Komponenten bauen? Das fragte sich auch das LEGO Management. Eine Marke, die ursprünglich für Kinder, Kleinkinder und Jugendliche entwickelt wurde und Anfang der 90er Jahre in die Krise rutschte, wurde in den späten 90er Jahren mit LEGO Mindstorms ‚erwachsen‘. Heute ist sie die Nummer 1 der Welt im Spielemarkt.

Nicht nur das Unternehmen LEGO findet das faszinierend und arbeitet seit Jahren mit ihren jugendlichen und erwachsenen Fans an der Marke LEGO weiter, sondern auch aus Sicht der Forschung ist dieses Phänomen, das nicht nur LEGO kennt, spannend. Marken werden von ihren Liebhabern okkupiert und für manche Menschen so sehr zum Teil ihrer eigenen Identität, dass sie die Marke auch als die Ihre verstehen und sie am Markt aktiv mitgestalten. Ko-kreation ist nicht neu. Die kompromisslose Integration von Stakeholdern in die Markenführung von LEGO aber ist es.

Sylvia von Wallpach (Copenhagen Business School), Andrea Hemetsberger (Universität Innsbruck) und Peter Espersen (ehem. Community Manager, LEGO) analysieren in ihrem Artikel ‚Performing identities: Processes of brand and stakeholder identity co-construction’ die zeitgleiche Konstruktion von Markenidentität und die Identität ihrer Stakeholder. In unserer Analyse gehen wir davon aus, dass Marken performative Kraft besitzen, das heißt, Marken bzw. ihre Manifestationen zum Beispiel in Form von LEGO Steinen und Gebilden üben eine aktive, kreative, innovative Kraft auf ihre Verwender aus. Das liegt an den Produkten selbst, die alles zulassen, was wir in unserer Phantasie aus ihnen machen (wollen). Diese performative Kraft findet man aber auch in der Gestaltung der Markenprozesse, im Austausch zwischen Verwendern, Fans, Unternehmen und anderen interessierten ‚Zuschauern‘ oder lurkers, die schlicht Freude daran haben und sich Inspiration suchen, wenn andere ihre Kreationen online stellen. Es gibt offensichtlich Markenprodukte, die ‚kreativen Vorschlagscharakter haben‘ und Identität stiften; ihre Verwender dazu einladen, sie zu gestalten und zu ihrem zu machen, während andere Produkte und Marken dies nicht zulassen.

Wir haben sieben performative Prozesse identifiziert, für die sich Management, Konsumenten, Fans, Lehrer, Erwachsene, Kinder und andere an LEGO Interessierte in unterschiedlichem Ausmaß engagieren: Playing and liking; Basement building and showcasing; Creating and innovating; Community building and facilitating; Brand storytelling; Missionizing und Marketplace development. Diese Prozesse findet man an und für sich bei jeder Marke. Spannend ist allerdings, dass das spezifische Engagement keineswegs von der offiziellen Rolle abhängt. So finden wir eine Vielzahl spielender und kreativer LEGO Manager und Angestellter gleichermaßen wie sogenannte LEGO certified professionals – Fans, die die Vermarktung von LEGO zu ihrem Beruf gemacht haben, Events organisieren und an LEGO Millionen verdienen und das offiziell von LEGO abgesegnet. LEGO belegt damit eindrucksvoll, dass Markenmanagement darin besteht, ein großes Netzwerk an Mitgestaltenden zu managen. Das klingt einfacher als es ist, denn es bedeutet, über Unternehmensgrenzen hinweg ein globales Netzwerk an aktiven, produktiven und kreativen Stakeholdern, bestehend aus vielen Einzelinitiativen, zu koordinieren; und LEGO’s (community) Manager schaffen das, indem sie unermüdlich und permanent mit ihren Stakeholdern in Interaktion stehen – mit jedem einzelnen. Stakeholdermarketing at its best.

Der Artikel von Sylvia von Wallpach, Andrea Hemetsberger und Peter Espersen erscheint 2016 im Journal of Business Research.

Andrea Hemetsberger

andrea.hemetsberger@uibk.ac.at

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